Nackenschmerzen seit 20 Jahren

Ein 38jähriger Mann kam zu mir in die Praxis, schlank und durchtrainiert und mit Nackenschmerzen auf der rechten Seite seit 20 Jahren, immer wiederkehrend fast täglich und dann den ganzen Tag anhaltend. Seit er seinen Job vor 12 Monaten gewechselt hat (schwere körperliche Arbeit zuvor) sind die Schmerzen geringer geworden und auch ein regelmäßiges Fitnesstraining hat zu einer Verbesserung geführt. Alle bildgebenden Verfahren wie MRT etc. haben keinen Befund gebracht. Ebenso brachten Therapieversuche keine Besserung der Beschwerden.

Die Anamnese der Krankheitsgeschichte ergab keine Besonderheiten.
In der körperlichen Befunderhebung fielen mir einige Gelenkdysfunktionen der Brustwirbelsule auf, ansonsten stand hier ein sportlicher Mann vor mir mit seit 20 Jahren ungeklärten Nackenschmerzen.

Die genaue Lokalisation seines Schmerzbereichs war am Übergang von dem Schulterdach auf den Hals auf der rechten Seite. Es war kein oberflächlicher Schmerz, sondern "tief drin". Er konnte noch genau den Tag und die Gegebenheit beschreiben, wann diese Schmerzen das erste Mal auftraten. Er hat 1996 im Alter von 18 Jahren beim Zelten mit dem Kopf auf einer Wurzel als Kopfkissen geschlafen. Diese Wurzel hat genau an seinem Schmerzbereich angelegen und die Schmerzen fingen danach an.

Das war ein guter Hinweis, den derjenige hört, der hinhören will. Das ist immer wieder meine Erfahrung mit meinen Patienten: Sie wissen recht gut, woher ihre Beschwerden kommen. Zuhören ist wichtiger Bestandteil meiner täglichen Arbeit.

An dem beschriebenen Schmerzbereich fand ich einen hart verspannten Muskel, den Levator scapulae, der auf leichten Palpationsdruck deutlich schmerzhaft war. Die ganze Region war von der Faszienseite wie "verbeult". Das ist zugegeben kein professioneller Ausdruck, beschreibt aber die Situation recht gut. Denn wie ein Auto eine Delle durch unsanfte Bekanntschaft mit einem Begrenzungspfahl etc. davontragen kann, so haben seine Faszien durch die Wurzel eine "Delle" erhalten, die sich auch noch 20 Jahre später dort feststellen ließ. Das ist meiner Erfahrun nach typisch für die Faszien: Sie verzeihen nichts, behalten ihre Verformung bei und müssen manuell wieder "zurechtgebogen" werden.

Ich behandelte nun diesen erkannten Bereich, indem ich die Faszien dort dehnte, den Muskel detonisierte und seine Triggerpunkte behandelte. Die Dysfunktionen der Brustwirbelsäule nahm ich mir auch vor. Als Hausaufgabe gab ich eine Dehnung der rechtseitigen Nackenmuskulatur auf. 

4 Wochen später hatten wir den zweiten Termin. Er berichtete mir, dass ab der zweiten Woche nach der ersten Behandlung keine Nackenschmerzen mehr gehabt hatte. Die Dehungsübungen hat er in dieser Zeit täglich durchgeführt. Bei der Abtastung des ehemaligen Schmerzbereichs ließ sich keine Auffälligkeit mehr finden: Normaler Muskeltonus und Faszienspannung. Wir vereinbarten, dass er die Eigenübungen noch weiter selbstständig durchführt.

Selbst nach einer so langen Zeit nach dem ursprünglichen Trauma ist das traumatisierte Gewebe noch gut zu beeinflussen. Wichtig dabei ist die Mitarbeit des Patienten durch geeignete Eigenübungen. Das verkürzt den Therapieprozess oftmals sehr deutlich.

Mein Patient erzählte mir zum zweiten Termin noch eine Beobachtung, die er in den Wochen zwischen den Behandlungen gemacht hatte: Er litt an schlechter Nasenatmung vor Beginn der Behandlung. Das störte auch nachts sehr, die Nase war immer zu. Mit der Besserung seiner Nackenschmerzen wurde auch die Nasenatmung um 20% besser. Ausreichend für ihn, um seine Lebensqualität verbessert zu sehen. Erklärbar ist das dadurch, dass die vegetativen Nerven (Sympathikus) für die Drüsen des Kopfes und damit auch der Nasenschleimhaut aus dem traumatisierten Bereich ausgehend nach oben zum Kopf hin verlaufen. Möglich ist eine Beeinträchtigung der Nerven durch eine Druckschädigung durch die Wurzel.