Schulterschmerzen eines Kraftsportlers

Ein 51jähriger Mann kam unter anderem mit Schulterschmerzen links zu mir in die Praxis. Diagnostiziert war eine Entzündung der Schulter ohne nähere Bezeichnung. Die dazugehörigen Schmerzen hatten dazu geführt, dass mein Patient seit gut einem Jahr keinen Sport mehr ausüben konnte. Es handelte sich dabei um Kraftsport auf intensivem Niveau. Er betrieb diesen Sport seit vielen Jahren und hatte sich ein beeindruckendes Muskelkorsett bei athletischem Phänotyp am ganzen Körper erarbeitet. Die Oberkörper- und Armmuskulatur war so ausgeprägt, dass eine Abduktionsstellung der Arme im Stand und Liegen zwingend war. Die Schmerzen waren bei hoher Flexion und Innenrotation sehr intensiv und wurden im Deltabereich von ihm wahrgenommen. An der rechten Schulter war er vor 4 Jahren wegen eines Impingements operiert worden.

Zum Zeitpunkt der Konsultation in meiner Praxis hatte er verschiedene Therapieversuche hinter sich, alle ohne Erfolg.

Die klinische Untersuchung war überraschend. Von der Anamnese und der bisherigen Krankheitsgeschichte hätte man leicht auf ein Impingement links schließen können, aber die Untersuchung brachte dies nicht zutage. Im Gegenteil: Die aktive und passive Beweglichkeit war endgradig möglich, die Innenrotation und Flexion allerdings mit Schmerzen ventral entlang der Clavicula bis in den Deltabereich. Stützübungen mit Aufnahme eines großen Teils des Körpergewichts auf den Armen wie bei Liegestützen war ohne Schmerzen möglich. Seitlage links und rechts als Schlafposition konnte ohne Schmerzen in der Nacht eingenommen werden. Palpationen der Rotatorenmanschettenansätze war schmerzfrei möglich, wenn auch durch die Masse und Tonus der Muskulatur schwierig.

Weitergehende Untersuchungen des Bauchraums erbrachten keinen Zusammenhang zu den Schulterschmerzen.

Als ersten Behandlungsansatz gab ich einige Muskeldehnungsübungen als Heimprogramm auf: Dehnung der Hand- und Unterarmbeuger, der Brustmuskulatur und der Schulteraußenrotatoren. Das Beschränken der Therapie auf wenige Aspekte der vermutlichen Schmerzauslöser bringt mir als Therapeuten ein eindeutiges Feedback für die nachfolgenden Behandlungen. In diesem Fall führten die Dehnungen zu keinem Erfolg: Nach 3 Wochen Eigendehnungen hatte sich am Beschwerdebild nichts geändert. Meine Schlußfolgerung daraus: Nicht die Muskulatur, sondern die Faszien sind das Problem. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dies ein Unterschied ist: Muskuläre Dehnungen erreichen auch die Faszien und führen bei konsequenter Anwendung zum Ziel der verbesserten Beweglichkeit und Schmerzreduktion. Wenn aber eine Muskeldehnung keinen Erfolg zeigt, ein Muskel als dehnungsresistent erscheint, sind die muskulären Faszien als Hüllstrukturen eines Muskels betroffen. Um sie zu erreichen, braucht es eine andere Herangehensweise.

Ich ertastete manuell die schmerzhafte Region unterhalb der Clavicula bis in die Achselhöhle hinein. Flächendeckend kamen schon bei leichter Palpation sehr intensiv schmerzhafte Muskelfaszienübergänge der Pectoralmuskulatur des Delta und des Lattissimus zum Vorschein. Ich behandelte diese Stellen mit direkten Faszientechniken und kontrollierte danach die immer noch schmerzhafte Innenrotation, die nach der Behandlung signifikant weniger schmerzte. Da die Lebensgefährtin meines Patienten Physiotherapeutin war, sollte sie die eingeschlagene Therapie weiterführen. Als Eigenbehandlung für solche faszialen Störungen eignen sich ansonsten Igelbälle, Akupressurmatten, TMX etc..

4 Wochen später erschien er zur 3. Behandlung fast schmerzfrei. Seine Partnerin hatte ihn einmal wöchentlich ca. eine halbe Stunde lang behandelt. Er hatte sein Krafttraining noch mit reduzierter Intensität wiederaufgenommen. Wie vereinbarten die eingeschlagene Therapie so fortzuführen.